Ich setze mich an den Schreibtisch. Ein gemütlicher Morgen. Sonne, eine Tasse Tee und gefrühstückt habe ich auch schon. Die Hunde haben sich einen Platz zum Schlafen gesucht: Mein Schatten hier im Zimmer, neben mir, im Körbchen. Die große Maus draußen im Flur. Ihr geht das Tippen auf die Nerven. Die viele Bewegung. Die Geräusche. Im Flur kann sie besser bewachen. Sie liegt auf dem Treppenabsatz, die Pfote lässig über die Stufe hängend. Aufpassen. Bewachen. Das ist ihr Job. Und wenn man dabei aussieht, als würde man schlafen? Dann interpretieren das alle falsch.
Die neueste Korrektur wird wieder korrigiert. Hier ein Fleck aufgehellt, dort ein Verlauf eingefügt. Ich spiele mit dem Bild herum. Nachdenken brauche ich nicht. Das Programm ist mir vertraut, wie ein alter Handschuh, wenn ich das schon sehr abgegriffene Klischee bemühen darf. Aber auch das sitzt wie ein Handschuh, wenn man genauer darüber nachdenkt. Ich weiß, wie das Ergebnis aussehen wird. Ich brauche nur gucken. Nicht denken.
Nach dem Export wird das Bild in Photoshop geöffnet. Auch dieses Programm ist mir vertraut. Ich nutze es eigentlich nur für die rudimentärsten Dinge: Flecken entfernen und kleinere Retuschen. Mehr brauche ich nicht. Auch mein Photoshop ist alt und vertraut. Kopfhörer auf, Musik an, Fleck für Fleck wegstempeln. Denken ist Nebensache, ich kann meine Gedanken schweifen lassen, Musik hören und die altbekannten Bewegungen mit der Maus ausführen. Ja, ein Grafiktablet habe ich, immerhin bin ich immer noch ein bisschen Fotografin, aber daran konnte ich mich irgendwie nie gewöhnen. Überhaupt mag ich meine Gewohnheiten. Die geben mir Sicherheit. Ich kann nie so ganz verstehen, wenn mir jemand vorwirft, dass ich irgendwo feststecken würde? Wie soll das jemand von außen beurteilen? Aus der Komfortzone raus, in der ich – aus irgendeinem Grunde – sowieso nie bin? Lustigerweise wurde mir dieser Vorwurf einmal gemacht, als ich noch ganz am Anfang meiner Agenturfotografie stand und noch keine Gewohnheiten hatte, versucht hatte, mir eine Routine und einen Durchblick zu verschaffen.
Jetzt ist es aber so, dass meine alten Gewohnheiten … nein, dass ICH meine alten Gewohnheiten über den Haufen geworfen habe. Spontan ein neues Studium begonnen. Das Kind ist groß (er schreibt HEUTE seine erste Abiklausur, ich bin fassungslos! Und uffgeregt.). Warum also auch nicht? Die Fotografie fing an, sich ein wenig einseitig zu fühlen. Ich weiß nicht, das ist der Punkt, an dem ich mich festgesteckt fühle? Ich denke schon. Ich kann mich aber täuschen. Die Agenturfotografie ist erst mal auf Eis, nur aufgeben werde ich sie nicht (Komfortzone!). Ebenso spontan habe ich Meta hinter mir gelassen und fühle mich nicht schlecht dabei. Ich versuche jetzt, woanders Fuß zu fassen. Man kommt sich komisch vor. Aber Social Media – ein Bereich, in dem ich total unbegabt bin – ist nun mal auch ein Marketinginstrument. Auch wenn es mir nicht passt. Immerhin kann ich mir etwas aussuchen, was nicht ganz so abgrundtief versumpft ist wie Meta und Twitter.
Noch einen Konzern habe ich hinter mir gelassen: Microsoft. (Nicht ganz, ich muss noch meine Email-Adresse ändern) Linux ist es jetzt. Spontan, in einem Wutanfall, habe ich beschlossen: Nie wieder Windows. Was für ein mistiges System. Nein, ich will kein Copilot. Nein, ich will kein Cortana. Nein, ich will keine permanenten Updates, die mir die Festplatte vollmüllen. Nein, ich will keine Bloatware, die ich nicht loswerde. Un vor allem will ich keine KI auf meinem Computer, von der ich nicht weiß, ob sie nicht einfach alle Daten nach Hause funkt. Das wäre übrigens noch ein Thema: Dass wir alle zufrieden zu sein scheinen, alle hinnehmen, dass große Konzerne hoffnungslos unethisch handeln. Sie lügen, stehlen, betrügen, überwachen. Und wir scheinen diesen Technikterror alle ganz okay zu finden?
Hier fängt der Teil an, über den ich eigentlich schreiben wollte: Die totale Überforderung mit Neuem. Zu viel Neues auf einmal: Studium, neues Betriebssystem, neue Software. Apps, wie das heute heißt. Natürlich funktioniert Adobe nicht mehr, statt dessen mussten Scribus, Gimp, Darktable und Rawtherapee her.
Und du meine Güte, waren die ersten Ergebnisse mies:
Das ist jetzt, in diesem Moment, gerade der pure Stress. Sich wieder einarbeiten. Das Gefühl verlieren, dass alles gewohnt ist, dass man einen Workflow hat. Das Gefühl, einfach nur zu arbeiten ohne über das Werkzeug nachzudenken. Wo befindet sich das Tool x, wo das Tool y? Welche Shortcuts funktionieren hier? Wie kann ich die Bildbearbeitung kopieren? Wie funktioniert die Bearbeitung einzelner Bereiche? Was habe ich hier eigentlich gemacht? Wie geht das rückgängig? Wozu ist die Abkürzung, jenes Werkzeug? Wieso stürzt das dumme Ding jetzt ab? Das ist unbehaglich und zeitaufwändig. Ich komme noch langsamer voran als ohnehin schon. Ich arbeite tatsächlich eher langsam. Und jetzt noch langsamer, noch mühsamer. Ich sehne mich zurück nach meinem Lightroom, meinem Photoshop, meinem Bridge, meinem InDesign. Die Bearbeitung war intuitiv. Davon ist nicht viel übrig. Nicht, dass die neuen Programme schlecht wären, im Gegenteil. Es gibt einige Funktionen, die ich fantastisch finde und die einfacher sind als beim Altbewährten. Es geht mir nur um die Gewohnheiten. Die sind weg. Ich befinde mich außerhalb meiner Kopmfortzone. Mein Gehirn platzt vor lauter Neuem, speziell, weil ich nur wenig Begabung fürs Technische habe. Aber ein Zurück gibt es nicht. Denn obwohl ich das alles etwas mühselig und lästig finde, weil ich mich eigentlich gar nicht mit der Technik beschäftigen will, sondern sie lediglich benutzen will: Das ist alles noch deutlich besser als dieser KI-Müll und Abo-Modelle, mit dem wir jetzt zugeschüttet werden. Und es wird. Ich muss nur ein paar Tutorials sehen, mich ein paar Stunden einarbeiten. Es wird. Es ist nicht so, als würde ich mich in unvertrautem Terrain befinden. Es ist nur ungewohnt. Nicht neu. Nicht unvertraut. Neue Routinen werden sich einspielen. Irgendwann.
Ich würde lügen, würde ich behaupten, dass ich das alles nicht spannend finden würde. Neues zu lernen, da hüpft mein Hirn vor Freude wie ein kleines Kind. Aber bitte, doch nicht alles auf einmal! Ich bin alt. Ich kann das alles nicht mehr so schnell wie füher. (Nein, lasst mir die Jammerei, es ist sonst keiner da, der sich das anhören würde.)