Bei Jana habe ich letztens ein Posting über die Selbständigkeit gelesen und wie schwer es einem von einigen Seiten gemacht wird. Ich bin da ins Grübeln gekommen, irgendwie nagt das Thema ja auch an mir, vor allem, weil ich mich ja in der gleichen Situation befinde wie Jana, mehr noch: wir sitzen ja in einem Boot.
Ich bin allerdings in einer anderen Situation als Jana. Oder vielleicht aber auch nicht? Jedenfalls ist mein Leben momentan abgesicherter. Mein Mann hat einen guten Job und solange wir es nicht übertreiben, können wir wirklich nicht klagen. Daher könnte jetzt jemand auf die Idee kommen, daß ich, weil ich hier sitze und – noch – kein Geld verdiene, das Ganze als Hausfrauenhobby abzutun. Ach ja, die Alte hat ja sonst nix Sinnvolles zu tun. So wie es bei meiner Dissertation war. Die Frage “Und, wann arbeitest du wieder richtig?“, war die Frage, die mich am meisten verletzt hat. Sie kam öfter und insgeheim wurde mir ja dabei unterstellt, daß ich auf meiner faulen Haut liege und nichts getan habe. Weil: Geld gab es dafür nicht. Auf der anderen Seite hat dabei aber auch niemand gesehen, daß ich alles allein machen mußte. Ohne Unterstützung von irgendeiner Seite. Das Beste, was ich erwarten konnte, war ein dummer Spruch. Dabei hatte ich in Australien, schlimmer noch in den Emiraten, ziemliche Schwierigkeiten, an vernünftige Fachliteratur zu meinem Thema zu kommen. Ich konnte nicht einfach auf Forschungsreise gehen, wie es eigentlich dringend nötig gewesen wäre – einfach mal so rüberjetten nach Frankreich, mit einem Baby an der Backe und niemanden, der darauf aufpassen kann?
Ich saß da ohne Möglichkeit, von meinem Professor intensiv betreut zu werden. Ich saß da ohne Austausch mit Kommilitonen. Ich saß da und habe mich durch Fachliteratur gequält, die ich irgendwie zusammengekratzt hatte – und die liest man nicht wie einen Roman mal eben runter. Die beackert man. Ichsaß da und habe nach 78 Seiten noch mal vollkommen von vorn mit einem neuen Thema angefangen. Ich habe am Ende mit diesem neuen Thema 328 Seiten geschrieben. Wir sind ständig umgezogen, so daß ich auch nicht auf einen Freundeskreis zurückgreifen konnte, wenn Not am Mann war. Ich habe ohne Unterstützung von irgendwelchen Großeltern mein Kind bekommen und irgendwie versucht, mich da durchzuwurschteln. Und wer von Anfang an mein Blog mitgelesen hat, weiß, daß dieses Kind ein Jahr lang nicht geschlafen hat. Ich weiß, daß es anderen auch so geht, klar. Ich will jetzt auch keineswegs jammern oder herausstreichen, wie hart es war – das war es zwar schon irgendwie, aber auf der anderen Seite hatte ich ja auch die Möglichkeit, die nicht jeder hat – ich danke meinem Mann heute noch auf Knien dafür, daß er mich unterstützt hat. Und zwar vorbehaltlos.
Aber dann war da immer noch dieses “Und, wann gehst du dann mal richtig arbeiten?“, das manchmal kam. Ich kann gar nicht sagen, wie scheiße ich diesen Spruch fand, wie sehr der mich runtergezogen hat. Wie oft ich aufgeben wollte. Und dann aber trotzdem alles durchziehen wollte, auch wenn es kein Mensch ernstzunehmen schien. Auch wenn es etwas länger gedauert hat. Diese Unterstellung ist mir echt an die Nieren gegangen und ich habe mir deswegen nächtelang einen Kopf gemacht, mich als totale Versagerin gesehen, weil ich nicht auch noch einen Job auf die Reihe bekommen habe. Dieser Spruch zeigt die allgemeine Meinung heutzutage auf: Alles, was sich sich nicht auf dem Bankkonto niederschlägt ist nichts wert.
Warum also habe ich mir selber den Streß angetan? Ich hätte es mir so viel einfacher machen können: Diss. hinschmeißen, den Streß sein lassen, irgendeinen Job annehmen. Aber genau das war es: ich wollte nicht irgendetwas, ich wollte unbedingt diese Dissertation schreiben. Um den Titel habe ich mich nicht gekümmert. Ich wollte diese Arbeit machen. Und Leute: es war kein Hobby, es war Arbeit. Jahrelang an einem Thema sitzen und Denken. Keine Kohle dafür, keine Anerkennung, keine Hilfe. Nur den dummen Spruch. “Und, wann gehst du dann mal richtig arbeiten?” Pure Verachtung, weil ich nicht wirtschaftlich gedacht habe. Geisteswissenschaften sind halt ein überflüssiger Luxus. Ich finde es erschreckend und traurig, wie viele darauf aus sind, einem die Motivation zu nehmen, einen schlecht zu machen, die Tätigkeit, ganz egal worum es sich handelt, abzuwerten. Das Leben ist doch so viel mehr als nur ein paar Zahlen auf dem Konto.
Danach hatte ich den totalen Tiefpunkt, die Arbeit war am Ende nicht so, wie ich sie wollte (übrigens: bei schwangeren Frauen schrumpfen die Hirnzellen – es stimmt! Der mieseste Teil der Arbeit war der, den ich in der Schwangerschaft geschrieben hatte *lol*). Inzwischen bin ich soweit, daß ich sagen kann: Ja, ich bin stolz darauf. Ich habe es durchgezogen. Trotz allem.
Und jetzt wieder dieses winzigkleine Gefühl der Unzulänglichkeit: “Und, wann gehst du dann mal richtig arbeiten?” Weil ich (noch) kein Geld verdiene. Weil ich mir jetzt das aufbaue, was ich wirklich machen will. Ich werde Fehler machen, ich werde lange Zeit nichts oder nicht viel verdienen, ich werde mich haareraufend fragen, wozu ich mir das alles antue. Aber was ich jetzt nicht mehr will, ist mich von Leuten runterziehen lassen. Was geht die mein Weg an? Was geht die an, ob ich mir meinen Traum erfülle oder nicht? Von vornherein zu sagen, daß es nicht klappen wird, ist absolut destruktiv und unfair und zeugt eigentlich nur von einer eigenen Angst und einem Neid, der unangemessen ist. Mein eigenes Leben geht nur mich und meine Familie was an. Keinen Außenstehenden. F*ck you…Eine Haltung von F*ck you wäre gut :-). Diese Einstellung muß ich noch festigen, klar, das kommt nicht von heute auf morgen. Und vor allem werde ich nie bereuen, es nicht zumindest versucht zu haben.
Noch größer als meine Unsicherheit ist nämlich die Angst davon, vor Langeweile in “irgendeinem” Job zu versauern, den ich hasse. Geld verdienen und das Leben fängt erst nach Feierabend an. So eine Freundin hatte ich mal und die war derart deprimierend, daß ich an ihrer Stelle von der Brücke gesprungen wäre. Sie hatte Angst, etwas zu ändern. Angst vor finanziellen Einbußen. Jetzt könnte natürlich jemand sagen: “Hey, du hast gut reden.” – Das ist richtig. Jetzt. Vor ein paar Jahren war dem noch nicht so, ich weiß durchaus wie es ist, nachts vor lauter Angst um die Existenz nicht mehr schlafen zu können. Trotzdem habe ich es durchgezogen. Ich hätte das Studium ja auch hinschmeißen können. Und weiß ich, ob es morgen noch so sein wird? Ob ich nicht morgen unter Existenzangst leiden werde? Mag sein, daß dem so sein wird. Ich weiß auch nicht, was ich dann machen würde. Jetzt jedenfalls sehe ich nicht den geringsten Grund, davon abzulassen, mir eine Existenz mit dem aufzubauen, was ich wirklich gerne mache. Mag sein, daß ich damit komplett auf die Nase fallen werde. Und? Gehört doch dazu. Laufen lernen geht nun mal nicht ohne Schrammen ab. Lernprozesse dauern. Deswegen heißen sie ja Lernprozesse. und mich davon abbringen lassen, daß etwas hoffnungslos ist? Na hört mal, in dem Fall wäre die Menschheit niemals von den Bäumen runtergekommen!