Interview mit Foodstylist Tino Kalning

Vor einigen Wochen erschien im Spiegel Online ein Interview mit dem Foodstylisten Tino Kalning. Hier könnt ihr es nachlesen: Bitte recht appetitlich! Ich fand es spannend, einen kleinen Blick hinter die Kulissen eines professionellen Stylisten werfen zu können, allerdings hat mir das Interview nicht sehr zugesagt. Irgendwie wurde dort suggeriert, dass Foodstylisten nur dazu da sind, Werbeessen auf Tiefkühlverpackungen hübsch aussehen zu lassen. Dabei umfasst Foodstyling viel mehr als nur TK-Pizza, nicht wahr? Da ich ein paar andere Fragen als der SPON hatte, habe ich Tino Kalning spontan angeschrieben, der sich auch sofort bereit erklärt hat, ein Interview mit mir zu führen. Ich freue mich sehr darüber!

Foto bereitgestellt von Tino Kalning
Foto: Tino Kalning

Wie sind Sie zum Foodstyling gekommen? Was genau fasziniert Sie daran?
Ich habe eine Ausbildung zum Koch absolviert und lange in verschiedenen Sternerestaurants gearbeitet. Für die Fotografie habe ich mich aber schon immer interessiert. Im Jahr 2000 absolvierte ich dann während der Betriebsferien ein Praktikum bei einem Fotografen. Dort traf ich auf einen Foodstylisten und war sofort von dessen Arbeitsfeld begeistert. Zum Glück war es möglich ihn ein halbes Jahr als Assistent zu begleiten. Ich war fest entschlossen Foodstylist zu werden und machte mich zwei Jahre später selbstständig. Seit 2002 arbeite ich nun in diesem Beruf.

Es ist ein toller und abwechslungsreicher Beruf. Es wird nie langweilig. Jeder Auftrag ist anders und man steht immer wieder vor neuen Herausforderungen. Wenn alles gut läuft, hat man am Ende des Tages ein kleines Kunstwerk geschaffen.

Reicht es nicht, einfach Essen vor die Kamera zu stellen? Obst und Gemüse sieht doch eigentlich sehr schön aus, wieso muss es noch gestylt werden?
Bei Obst und Gemüse muss oft tatsächlich nicht viel gestylt werden. Häufig reicht es aus, das Obst zu polieren oder Wassertropfen darauf zu setzen, damit es frisch und lecker aussieht. Bei vielen anderen Lebensmitteln ist es dagegen nicht so einfach.

Man liest und hört ja häufig von den “schmutzigen Tricks”, die Food-Stylisten oft anwenden wie z.B. angemaltes Fleisch, Glyzerin im Glas oder eine von Zuckerguß umhüllte Styroportorte. Ist es mit der Trickserei tatsächlich so schlimm, wie manche es sich vorstellen? Oder könnte man das, was Sie vorbereiten, theoretisch noch essen?

Foto bereitgestellt von Tino Kalning
Foto: Tino Kalning

Nein, ganz so schlimm ist es nicht mit der Trickserei. Besonders wenn für Rezeptzeitschriften oder Kochbücher gearbeitet wird, können die meisten Lebensmittel noch verzehrt werden. Das soll zu Hause ja schließlich nachgekocht werden. Und häufig bereite ich für das Team aus den verwendeten Lebensmitteln auch das Mittagessen zu. Beschwert hat sich noch nie jemand.

Worauf muss man besonders achten, wenn man Food stylt? Was muss man können?
Ein gutes Empfinden für Farben, Formen und Proportionen ist wichtig. Kreativ sollte man sein. Dann natürlich Interesse am Umgang mit Lebensmitteln und Spaß am Kochen.

Es kann sehr lange dauern ein Gericht so zu fotografieren, bis alle Beteiligten zufrieden sind. Deshalb ist auch viel Geduld und das Streben nach Perfektion gefragt.

Essen im realen Leben schön aussehen lassen und vor der Kamera – müssen Sie da immer gleich vorgehen oder erfordert die Präparation für die Kamera einen anderen Blickwinkel?
Da Farben auf Fotos anders aussehen als in der Realität, erfordert das Styling für die Kamera schon einen anderen Blickwinkel. Manche Farben wirken auf Fotos nicht. So wird Gemüse z.B. nur ganz kurz gekocht, damit die Farbe erhalten bleibt. Mit einem Pinsel wird dann evtl. noch ein natürlicher Glanz aufgetragen. Bei einem Braten wird z.B. mit Airbrush die Farbe der Kruste verbessert. Diese Technik erlaubt es feinste Farbverläufe zu erstellen, die notwendig sind, um Lebensmittel ansprechend und bildwirksam zu gestalten.

Zudem nimmt die Kamera nur zweidimensional auf. Das heißt, was sich z.B. hinter einem Berg von Nudeln verbirgt (z.B. Fixierknete), ist für den Betrachter nicht ersichtlich. Zu meinem Handwerkszeug gehören hier u.a. Pinzetten, Pinsel, Steck- und Akupunkturnadeln.

Foto bereitgestellt von Tino Kalning
Foto: Tino Kalning

Was ist in Ihren Augen das am schwierigsten zu stylende Lebensmittel?
Eis ist schwierig zu stylen. Bei den großen Eisherstellern wird kein Dummy-Eis verwendet, hier wird auf die Echtheit des Eises großen Wert gelegt. Deshalb wird mit Originaleis gearbeitet. Das ist natürlich schwierig, weil es schnell schmilzt.

Gibt es auch etwas, das Sie gar nicht gerne auf dem Teller sehen?
Gar nicht gerne auf dem Teller sehe ich die Garnitur Salatblatt und Tomatenspalte.

Können Sie ein paar Tipps geben, worauf man achten sollte, wenn man Food für Fotos herrichten will?
Man sollte möglichst makellose Lebensmittel einkaufen. Sie müssen auch nach stundenlangen Einstellungen im Fotostudio noch frisch und lecker aussehen. Das allerwichtigste ist, dass das Essen lecker und ansprechend aussieht. Hierzu ein Beispiel:

Wenn eine Pizza im Ofen gebacken wird, ist meist der Teig unregelmässig gebräunt. Es gibt helle und dunkle Stellen am Teig und auch der Käse ist nicht gleichmäßig verlaufen. Der Belag ist meist nicht gut genug zu erkennen. Hier ist es meine Aufgabe alles optimal zu arrangieren und Kameragerecht zu stylen, so dass einem beim Anblick das Wasser im Mund zusammenläuft.

Wie sieht so ein typischer Arbeitsablauf aus? Und wie lange kann es dauern, bis ein Gericht endlich abfotografiert wird?
Einen typischen Arbeitsablauf gibt es eigentlich nicht. Jeder Auftrag ist anders. Mein Arbeitstag beginnt aber meistens mit dem Einkauf von frischen Lebensmitteln. Das kann auch mal etwas länger dauern. Manchmal fahre ich mehrere Läden ab, um das schönste Lebensmittel zu erhalten.

Es gibt Besprechungen mit dem Kunden, über seine Vorstellungen und die Umsetzung mit dem Fotografen. Evtl. werden Rezepte von mir entwickelt. Anschließend werden die Gerichte von mir so zubereitet, dass sie vor der Kamera perfekt in Szene gesetzt sind. Hierbei kann es schon mal seien, dass man für ein Foto einen ganzen Tag braucht.

Gibt es auch Spezialisten in Ihrem Bereich, die auf eine bestimmte Nahrungsmittelgruppe spezialisiert sind?
Ja, es gibt Eisstylisten und Stylisten, die sich ausschließlich auf Bier spezialisieren.

Fotografieren Sie auch selber?
Während eines Jobs fotografiere ich nicht, dafür sind dann sie Fotografen zuständig. Privat fotografiere ich gerne und viel – zur Zeit am liebsten meine 10 Monate alte Tochter.

Lieber Herr Kalning, vielen Dank für das Interview!

Fotos mit freundlicher Genehmigung von Tino Kalning.

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